Farbenlehre
Farbenlehre
[Original Hegel-Text. Auswahl und Anmerkung [..]: M.Grimsmann/L.Hansen Okt.2002]
Die dem
Begriffe angemessene Darstellung
der Farbenverdanken wir
Goethe,
den die Farben und das Licht früh angezogen haben, sie zu betrachten,
besonders dann von Seiten der Malerei;
und sein reiner, einfacher Natursinn, die erste Bedingung des Dichters,
musste solcher
Barbarei der Reflexion
, wie sie sich in
Newton
find et, widerstreben.
Was von Platon an über Licht und Farbe statuiert und experimentiert worden ist,
hat Goethe durchgenommen.
Er hat das
Phänomen einfach aufgefaßt
;
und der wahrhafte Instinkt der Vernunft besteht darin,
das Phänomen von der Seite aufzufassen, wo es sich am einfachsten darstellt.
Das Weitere ist die Verwicklung des
Urphänomens
mit einer ganzen Menge von Bedingungen;
fängt man bei solchem Letzten an, so ist es schwer, das Wesen zu erkennen.
Das Hauptmoment der Goetheschen Theorie ist nun,
daß das
Licht
für sich und die
Finsternis
ein Anderes außer ihm ist,
Weiß
sichtbares Licht,
Schwarz
sichtbare Finsternis
und
Grau
ihr
erstes,
bloß
quantitatives
Verhältnis
ist,
also
Verminderung oder Vermehrung
der Helle oderDunkelheit
,
-
bei dem
zweiten
bestimmteren Verhältnis
aber,
wo Helles und Dunkles diese feste spezifische Qualität gegeneinander behalten,
es darauf ankommt, welches zugrunde liegt
und welches das trübende Mittel ist.
Es ist ein heller Grund vorhanden und darauf ein Dunkleres oder umgekehrt,
und daraus entsteht Farbe.
Goethes großer Sinn ließ ihn
von diesem dem Begriffe gemäßen ZusammenhaltenUnterschiedener sagen,
dies ist so;
und nur das denkende Bewußtsein kann darüber Rechenschaft geben,
daß die Vernünftigkeit eine Identität in der bleibenden Verschiedenheit ist.
..
Es ist noch anzugeben, wie die Totalität der Farben sich verhält.
Die Farbe, als das wahrhaft Wirkliche,
hat den unmittelbaren Unterschied
als durch den Begriff gesetzten und bestimmten.
Aus unserer sinnlichen Wahrnehmung wissen wir,
daß Gelb, Blau, Rot die Grundfarben sind,wozu noch Grün als selbst die Farbe der Vermischung kommt.
Das Verhältnis ist dieses, wie es sich in der Erfahrung zeigt:
die erste Farbe ist Gelb, ein hellerGrund, und ein trüberes Medium ,
das von ihm durchhellt oder durchleuchtet wird.
Daher erscheint uns die Sonne gelb, eine oberflächliche Trübung.
Das andere Extrem ist Blau,
wo das hellere Medium von der dunkleren Grundlage durchschattet wird.
Deswegen ist der Himmel blau, wo die Atmosphäre dunstig ist,
und tief dunkelblau, fast ganz schwarzblau auf hohen Gebirgen,
-
B. den Schweizeralpen, auch im Luftballon,
wo man über das trübe Medium der Atmosphäre hinaus ist.
Zwischen beiden Extremen , Blau und Gelb,welche die einfachsten Farben sind, fällt Rot und Grün,
die nicht mehr so diesem ganz einfachen, allgemeinen Gegensatze angehören.
Die eine Vermittlung ist das Rot,
zu dem das Blaue sowohl als das Gelbe gesteigert werden kann;
das Gelbe wird leicht ins Rote durch gesteigerte Trübung hinübergezogen.
Das Rote entsteht, insofern das Gelbe wieder durchschattet
oder das Blaue wieder durchleuchtet wird;
das Gelbe also mehr ins Dunkle gezogen,
oder das Blaue mehr ins Helle, wird Rot.
Das Rot ist die Vermittlung, die ausgesprochen werden muss
-
im Gegensatz von dem Grün, welches die passive Vermittlung ist -
als die aktive Vermittlung, als die subjektive, individuelle Bestimmung beider [Blau u. Gelb].
Das Rot ist die königliche Farbe, das Lic ht, welches
die Finsternis überwunden und vollkommen durchdrungen hat:
dieses Angreifende für das Auge, dieses Tätige, Kräftige,
die Intensität der beiden Extreme.
Grün ist die einfache Vermischung , diegemeine Neutralität von Gelb und Blau ,
was man beim Prisma ganz deutlich sieht, wenn Gelb und Blau zusammenfallen.
Als die neutrale Farbe ist Grün die Farbe der Pflanzen,
indem aus ihrem Grün das weitere Qualitative derselben herausgeboren wird.
Das
Gelbe
als das
Erste
ist das Licht mit der einfachen Trübung,
- die Farbe als unmittelbar daseiend;
es ist eine warme Farbe.
Das
Zweite
ist das
Vermittelnde,
wo der Gegensatz selbst doppelt dargestellt wird, als
Rot und Grün
;
sie entsprechen dem Feuer und Wasser,
von denen schon früher gehandelt worden (§ 283 und 284).
Das
Dritte
ist
Blau,
eine kalte Farbe, die dunkle Grundlage,
die durch ein Helles gesehen wird,
- ein Grund, der nicht bis zur konkreten Totalität geht.
Nach der bekannten
Newtonschen Theorie
besteht das weiße, d. i. farblose Licht aus fünf oder aus sieben Farben;
denn genau weiß dies die Theorie selbst nicht.
- Über die
Barbarei der Vorstellung
,
daß auch beim Lichte nach der schlechtesten Reflexionsform,
der Zusammensetzung, gegriffen worden ist
und
das Helle hier sogar aus sieben Dunkelheiten bestehen soll
,
wie man das klare Wasser aus sieben Erdarten bestehen lassen könnte,
kann man sich nicht stark genug ausdrücken;
so wie über die Ungeschicktheit und Unrichtigkeit
des Newtonschen Beobachtens und Experimentierens,
nicht weniger über die Fadheit desselben,
ja selbst, wie Goethe gezeigt hat [Farbenlehre], über dessen Unredlichkeit.
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